9. Februar 2020

Bijan Moini: Der Würfel [Rezension]

Atrium Verlag AG 2018. Zürich. 416 Seiten. 22 Euro.







Wie ich das Thema liebte und das Buch deswegen zwischendurch langatmig wurde

Ich war Ende letzten Jahres in meiner Buchhandlung in Unna und fragte nach einer deutschen Dystopie. Eigentlich wollte ich ein Jugendbuch haben, aber der Verkäufer empfahl mir dieses Exemplar (aufgrund meiner Wunsch-Beschreibung auch genau das Richtige).

Handlung Der Würfel


Der Würfel, eine künstliche Intelligenz, hat die Staatsmacht in Deutschland und anderen Ländern ergriffen. Sein Kapital: die Daten der Bürger. Und aufgrund der Annehmlichkeiten, die dadurch entstehen, geben die Einwohner ihre Daten freiwillig ab. Nur wenige Menschen trotzdem der KI, unter ihnen Taso Doff – ein sogenannter Gaukler, der absichtlich das Gegenteil von dem tut, was der Würfel von ihm erwartet. Aber seine Überzeugungen werden auf eine harte Probe gestellt.

Meinung Der Würfel


Wer mich kennt, weiß, dass man mich mit nichts so begeistern kann wie mit gesellschaftskritischen Dystopien. Meine Erwartungen sind dementsprechend hoch, und die hat das Buch leider nur zum Teil erfüllt. Die Welt ist gut beschrieben, das Problem der Datenkrake wird gut geschildert. Die Handlung aber driftet gelegentlich in Nichtigkeiten ab, während Situationen, über die ich gern mehr gewusst hätte, einfach übersprungen wurden. Insgesamt hat der Roman Der Würfel daher drei von fünf Seifenblasen bekommen.

Rezension Handlung


Wie beschrieben, bricht der Spannungsbogen häufig ein, während interessante Situationen einfach überprungen werden. Zu viele Szenen sind nur da, weil die Welt NOCH detaillierter beschrieben wird, was meiner Meinung nach gar nicht notwendig ist. Andere Handlungen werden lange eingeleitet, um dann mit einem Satz abgehandelt zu werden.

Zum Beispiel möchten zwei Personen einen Beziehungstest vornehmen, um zu schauen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie zusammengehören. Eine Figur hat großes Bedenken und versucht, die andere umzustimmen, willigt dann aber ein, den Test mit vielen Fragen zu machen. Im nächsten Satz steht das Ergebnis fest, in wenigen Absätzen findet ein Streit statt und die Sache ist vorbei. Wieso wird der Test selbst nicht besser beschrieben?

In vielen Momenten hätte ich gerne mehr Details zur Handlung bekommen, beispielsweise auch bei Reden, die als so toll beschrieben werden, im Buch aber de facto nicht stehen. In anderen Situationen brauchte ich nicht noch einen Besuch bei Figuren, die eine bereits feste Meinung nur noch bestätigen.

Zusätzlich ist ungefähr ein Drittel des Buchs eher unnötig für die Gesamthandlung. Ich hätte mir den Showdown sehr viel detaillierter gewünscht, während ich die positiven Aspekte der Welt nicht so ausführlich gebraucht hätte, um sie zu verstehen.

Rezension Figuren


Die Hauptfigur Taso Doff ist sympathisch, weil sie nicht mit den allgemein geltenden Werten einhergeht. Ich habe mich direkt in ihn einfinden können, weil ich seine Antipathien gegen das unnötige Ansammeln von Daten teile. Davon abgesehen ist er ein eher mürrischer Typ, der seine wahren Gedanken nur schwer im Zaum halten kann. Das gefiel mir gut, denn zum einen sind perfekte Charaktere unglaubwürdig, zum anderen spiegelt es seine schwierige Situation in einer vermeintlich perfekten Welt wider. Nichtsdestotrotz habe ich mich gelegentlich aufgeregt, wenn er mal wieder die Klappe nicht halten konnte :-D

Die anderen Figuren sind eher eindimensional und stehen für die verschiedenen Sichtweisen auf eine künstliche Intelligenz, die mittels Daten eine bessere Welt für alle schaffen will. Das ist gut und wichtig, aber auch wenig überraschend.

Rezension Thema


Wie gesagt: Eine solche Welt ist absolut mein Thema. Positive und negative Aspekte gläserner Menschen werden dargestellt, die möglichen Auswirkungen – positiv wie negativ – werden genau beleuchtet. Einerseits ist es jedem möglich, sein Grundeinkommen durch das eigene Verhalten zu steigern. Andererseits wird unvorhergesehenes Verhalten durch sozialen Abstieg bestraft, sei es noch so sinnvoll. Einerseits kann jedes noch so triste Zimmer in einen Dschungel verwandelt werden, andererseits kann niemand mehr sicher sein, dass sein Gegenüber auch wirklich so aussieht wie in dem Moment. Eine spannende Geschichte rund um eine tolle Idee, die nicht neu, aber aktuell ist.

Zusammenfassung Der Würfel


Die gute Idee einer Geschichte über eine Welt, die durch Datenansammlungen in einer künstlichen Intelligenz regiert wird, hätte mich mit einer etwas austarierteren Handlung und Spannung noch mehr überzeugt. Die Hauptfigur und ihre Meinung sind interessant, das Setting absolut spannend und voller Potential. Jedoch die Auswahl der Szenen und des Fokus auf manche Situationen haben dem Buch die Spannung wieder genommen und es war mir an einigen Stellen leider etwas zu langweilig.

Nichtsdestotrotz lässt sich das Buch gut lesen und gleicht mit guten Ideen und etwas Spannung die negativen Punkte so aus, dass man es durchaus am Wochenende im kalten Winter lesen kann.

Zurück! Ein Versuch.

Der Blog stand still – die Zeit nicht.


Über ein Jahr ist der letzte Post her, die letzte Rezension noch länger. Woran liegt das? Ich lese kaum. Und ungelesene Bücher lassen sich nur schwer rezensieren. Ich könnte jetzt auf hohem Niveau jammern, und ich tue es auch: Vollzeitjob, mit Freund zusammengezogen, Projekte für den Verlag schreiben, Projekte für mich schreiben, Garten, Netflix.

Aber ich möchte weiter rezensieren und bloggen, wenn auch unregelmäßig. Das habe ich öfter geschrieben, das passiert den meisten Blogs, man hat einfach nicht mehr die Zeit. Vor allem, wenn man vor einem Post erst noch ein ganzes Buch lesen „muss“. Aber es macht Spaß und so langsam bekomme ich einen Alltag in meinen Alltag. Ich vermisse das Lesen und werde öfter explizit Zeit dafür suchen.

In letzter Zeit habe ich nicht viel gelesen, und das sind die Bücher, durch die ich es dann doch geschafft habe. Vielleicht rezensiere ich sie auch noch rückwirkend. Bis dahin, einen schönen Sonntag euch!