Jojo Moyes: Ein ganzes
halbes Jahr (Rowohlt Polaris: 2013)
Originaltitel:
Me before you (Penguin Books: 2012)
Wie die befürchteten Klischees ausblieben
Dieses Buch habe ich auf Deutsch gelesen. Es hat ein wenig
gedauert, bis ich mich dazu durchgerungen habe, es zu kaufen. Das Ganze lief ab,
wie es mir öfter passiert: Ich bekam Leseempfehlungen und hörte nur Gutes
darüber. Oft aber weigere ich mich, dem Lese-Mainstream zu folgen, kann aber zu
guter Letzt meine Neugier nicht zügeln, und ehe ich mich versehe, stehe ich mit
dem neu errungenen Exemplar wieder draußen vor der Buchhandlung und weiß gar
nicht recht, was kurz zuvor geschehen ist.
Vor einiger Zeit habe ich den Klappentext gelesen, aber
diesmal ließ ich es bleiben und ging möglichst objektiv und unvoreingenommen an
den Roman heran. Ich erwartete dennoch, von der Geschichte bewegt zu werden.
Einen Action-Thriller konnte man vom Eindruck her wirklich nicht erwarten,
deshalb wollte ich von einer gefühlvollen Erzählung in den Bann gezogen werden.
Handlung
Handlung
Louisa Clark, 27, lebt in einem beschaulichen Städtchen bei
ihren Eltern und ihrer Schwester. Sie ist ein wenig tollpatschig (das kennt man
ja von Hauptfiguren), hat einen ausgefallenen Kleidungsstil und verliert ihren
Job. Sie findet nach einiger Zeit jedoch einen neuen und lernt Will Traynor
kennen, der seit zwei Jahren gelähmt im Rollstuhl sitzt. Er kann lediglich
seinen Kopf und minimal seinen rechten Arm bewegen. Louisa wird als
Unterstützung und Ablenkung von seinen wohlhabenden Eltern eingestellt.
Die Geschichte ist bereits im Klappentext als
Liebesgeschichte ausgeschrieben, dem Leser wird jedoch auch von allein schnell
klar, worauf die Bekanntschaft der beiden hinauslaufen muss. Der
Handlungsverlauf erschien mir zunächst vorhersehbar, die Figuren stereotypisch
und das Ganze nicht neu. Die Charaktere werden jedoch mit den Seiten
vielschichtiger und die Ausflüge, die Lou mit Will und dem Pfleger Nathan
bravourös in den Sand setzt, lesen sich wunderbar. Die einzelnen Menschen
zeichnen sich zwar hauptsächlich durch eine bestimmte Wesensart aus, doch ihr
Zusammenspiel funktioniert wunderbar. Ich konnte in vielen Situationen eine
lebensnahe Schilderung erkennen, bei der ich dachte „Genauso wäre mir das
passiert!“ oder „Ja, so ist die Welt wirklich!“.
Dass nach und nach Geheimnisse der Figuren ans Licht treten
und Lou mit ihrem neuen Leben oft zu kämpfen hat, treibt die Geschichte dann
nach circa zwei Fünfteln des Buches in Richtungen, die man zuvor nicht erahnt
hat (zumindest ich nicht). Es geschehen keine Verfolgungsjagden, die Figuren
verirren sich nicht in der Dunkelheit und die Erde steht nicht vor ihrem
Untergang. Trotzdem las ich diesen Roman herunter und erfreute mich an immer
neuen Ideen und Wendungen. Die anfängliche Befürchtung, von einem vorhersehbaren
Plot gelangweilt zu werden, verschwand vollends.
Lou ist wunderbar sympathisch, denn sie gibt nicht auf. Sie
hat nicht gerade das schönste aller Leben, doch sie bemüht sich und hakt nach. Sie
beklagt sich nicht, stattdessen lebt sie einfach. Auch Will ist mit seiner
besserwisserischen und bevormundenden Art ein netter Charakter, der definitiv
nicht der Blödmann ist, den er zu Anfang mimt.
Alles in allem zeichnet sich der wirklich gute Roman meiner
Meinung nach durch die Situationen aus, die er wirklichkeitsgetreu und mit
unerschütterlichem Optimismus zeichnet, nichts wirkt zu überspitzt. Das
einzige, was mir manchmal negativ aufgestoßen ist, sind einige wenige Handlungslöcher,
bei denen man sich gedanklich selbst ausmalen muss, was geschehen ist, obwohl
die dort stattfindenden Geschehnisse zuvor lang angekündigt wurden und die
Geschichte lenken.
Weitere Gedanken zu dem Buch: Achtung, Spoiler!
Weitere Gedanken zu dem Buch: Achtung, Spoiler!
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