25. Juli 2015

Jojo Moyes: Ein ganzes halbes Jahr



Jojo Moyes: Ein ganzes halbes Jahr (Rowohlt Polaris: 2013)
Originaltitel: Me before you (Penguin Books: 2012)

Wie die befürchteten Klischees ausblieben


Dieses Buch habe ich auf Deutsch gelesen. Es hat ein wenig gedauert, bis ich mich dazu durchgerungen habe, es zu kaufen. Das Ganze lief ab, wie es mir öfter passiert: Ich bekam Leseempfehlungen und hörte nur Gutes darüber. Oft aber weigere ich mich, dem Lese-Mainstream zu folgen, kann aber zu guter Letzt meine Neugier nicht zügeln, und ehe ich mich versehe, stehe ich mit dem neu errungenen Exemplar wieder draußen vor der Buchhandlung und weiß gar nicht recht, was kurz zuvor geschehen ist.
Vor einiger Zeit habe ich den Klappentext gelesen, aber diesmal ließ ich es bleiben und ging möglichst objektiv und unvoreingenommen an den Roman heran. Ich erwartete dennoch, von der Geschichte bewegt zu werden. Einen Action-Thriller konnte man vom Eindruck her wirklich nicht erwarten, deshalb wollte ich von einer gefühlvollen Erzählung in den Bann gezogen werden.

Handlung
Louisa Clark, 27, lebt in einem beschaulichen Städtchen bei ihren Eltern und ihrer Schwester. Sie ist ein wenig tollpatschig (das kennt man ja von Hauptfiguren), hat einen ausgefallenen Kleidungsstil und verliert ihren Job. Sie findet nach einiger Zeit jedoch einen neuen und lernt Will Traynor kennen, der seit zwei Jahren gelähmt im Rollstuhl sitzt. Er kann lediglich seinen Kopf und minimal seinen rechten Arm bewegen. Louisa wird als Unterstützung und Ablenkung von seinen wohlhabenden Eltern eingestellt.

Die Geschichte ist bereits im Klappentext als Liebesgeschichte ausgeschrieben, dem Leser wird jedoch auch von allein schnell klar, worauf die Bekanntschaft der beiden hinauslaufen muss. Der Handlungsverlauf erschien mir zunächst vorhersehbar, die Figuren stereotypisch und das Ganze nicht neu. Die Charaktere werden jedoch mit den Seiten vielschichtiger und die Ausflüge, die Lou mit Will und dem Pfleger Nathan bravourös in den Sand setzt, lesen sich wunderbar. Die einzelnen Menschen zeichnen sich zwar hauptsächlich durch eine bestimmte Wesensart aus, doch ihr Zusammenspiel funktioniert wunderbar. Ich konnte in vielen Situationen eine lebensnahe Schilderung erkennen, bei der ich dachte „Genauso wäre mir das passiert!“ oder „Ja, so ist die Welt wirklich!“.
Dass nach und nach Geheimnisse der Figuren ans Licht treten und Lou mit ihrem neuen Leben oft zu kämpfen hat, treibt die Geschichte dann nach circa zwei Fünfteln des Buches in Richtungen, die man zuvor nicht erahnt hat (zumindest ich nicht). Es geschehen keine Verfolgungsjagden, die Figuren verirren sich nicht in der Dunkelheit und die Erde steht nicht vor ihrem Untergang. Trotzdem las ich diesen Roman herunter und erfreute mich an immer neuen Ideen und Wendungen. Die anfängliche Befürchtung, von einem vorhersehbaren Plot gelangweilt zu werden, verschwand vollends.
Lou ist wunderbar sympathisch, denn sie gibt nicht auf. Sie hat nicht gerade das schönste aller Leben, doch sie bemüht sich und hakt nach. Sie beklagt sich nicht, stattdessen lebt sie einfach. Auch Will ist mit seiner besserwisserischen und bevormundenden Art ein netter Charakter, der definitiv nicht der Blödmann ist, den er zu Anfang mimt.
Alles in allem zeichnet sich der wirklich gute Roman meiner Meinung nach durch die Situationen aus, die er wirklichkeitsgetreu und mit unerschütterlichem Optimismus zeichnet, nichts wirkt zu überspitzt. Das einzige, was mir manchmal negativ aufgestoßen ist, sind einige wenige Handlungslöcher, bei denen man sich gedanklich selbst ausmalen muss, was geschehen ist, obwohl die dort stattfindenden Geschehnisse zuvor lang angekündigt wurden und die Geschichte lenken.

Weitere Gedanken zu dem Buch: Achtung, Spoiler!

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