30. Juli 2015

Kreativ, teamfähig und selbstständig am ersten Satz



Zum Thema „Wie schreibe ich eine gute Bewerbung“ gibt es tausend Vorschläge und Ideen im Internet. Darunter sind mit Sicherheit gute Tipps, doch oft wusste man das, was dort steht, auch schon längst. Was den ersten Satz nach der Anrede betrifft, lernt man schnell, dass „Hiermit bewerbe ich mich …“ heute tabu ist. Eine Alternative lässt sich schwierig finden.
Ich sitze vor einem neuen Textdokument, oben sind bereits gewissenhaft Empfänger und Absender eingetragen sowie der Ort und das Datum. Auch der Betreff steht in fetten Buchstaben dort, der Titel der Jobausschreibung wurde hier um ein „Bewerbung als …“ ergänzt. Was auch sonst?
Nach mehrmaliger Überprüfung, ob die Adresse auch wirklich keine Fehler enthält, steht immer noch kein erster Satz dort. Lieber erst mal ein paar Stichpunkte zu den weiteren Absätzen machen. Studiert, teamfähig, kreativ, organisationstalentiert, engagiert. Was steht noch in der Jobausschreibung? Freundlich, selbstständiges Arbeiten, sicheres Englisch. Passt. Die Anforderungen des Arbeitgebers sind schön mit Spiegelstrichen aufgereiht. Wie wäre das, wenn ich meine Bewerbung so strukturieren würde …
Ach ja, der erste Satz. Ich könnte direkt mit der Tür ins Haus fallen und sagen, dass ich nach mehreren Praktika und einschlägigen Universitätskursen nun unbedingt in diesem Bereich arbeiten möchte. Wie vermittelt man am besten das dringende Bedürfnis, auf der Bewerbungsleiter einen Schritt höher zu steigen, ohne dabei verzweifelt zu wirken? Wie vermittele ich meine Kompetenzen glaubwürdig, ohne einfach aufzuzählen, was in der Ausschreibung als Voraussetzung aufgeführt wird? Ich habe keine Patentlösung. Ich frage mich das immer noch. Wie hebe ich mich von den anderen ab, ohne abgehoben zu wirken?
Was habe ich in anderen Bewerbungen geschrieben? Ich lese ein, zwei durch und finde, ich hätte den Job bekommen sollen. Was haben die anderen Bewerber, was ich nicht habe? Nach kritischer Selbstanalyse muss ich feststellen, dass ich meine Fähigkeiten bereits bis zum äußerst Möglichen gelobt habe, alles andere wäre schon nicht mehr nur Lug, sondern Trug. Zurück zum ersten Satz.
Ich schreibe zunächst, was ich kann und was ich gerne mache. Klingt gut. Immerhin wollen die ja einen Eindruck von mir. Zwei mittelkurze Sätze, was ich kann, bezogen auf die Ausschreibung. Schreiben, Social Media, Kommunizieren, mit dem PC arbeiten, was auch immer. Und dann, dass ich mir das auch gut für meine Zukunft vorstellen kann. Das ist doch gut. Später dann zur Ausbildung.
Nochmal durchlesen. Hm. Klingt doof. Unbesonders. Langweilig, könnte man sagen. Aber vielleicht mag das der Personalchef ja? Vielleicht ist das nicht öde, sondern solide? Wie tickt der Gutachter meines Anschreibens wohl? Ist er bodenständig und klassisch? Ist er up-to-date und ausgefallen? Ein weiteres Mal die Internetseite des Konzerns checken. Sieht … normal aus. Oh, Fotos von den Mitarbeitern! Die sehen … auch normal aus. Wie war nochmal mein erster Satz? Naja. Eigentlich ganz okay. Den anderen wird bestimmt nicht viel Besseres eingefallen sein.
Ach du meine Güte, ich sitze hier seit drei Stunden! Das wird heute eh nichts mehr, ich mache morgen weiter. Einmal drüber schlafen. 


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